Für viele Händler ist das Thema Pricing nach wie vor mit großem Aufwand und komplexen Fragestellungen verknüpft – weshalb es in vielen Unternehmen eher stiefmütterlich behandelt wird. Dies erstaunt grundsätzlich, da gerade dieser Hebel eine unmittelbare Durchschlagskraft auf die Marge hat. Wir sprechen heute mit Eiko und Felix zu diesem Thema, die mit 7Learnings eine SaaS Lösung entwickelt haben, um systematisch bessere Preise als die Konkurrenz zu setzen. Unter anderem geht es um die folgenden Fragen:

Christian/Rene: Am besten fangen wir damit an, dass ihr euch kurz vorstellt und erläutert, wofür ihr in eurem Unternehmen jeweils verantwortlich seid.

Felix: Ich bin Mitgründer von 7Learnings. Ich komme ursprünglich aus der Pricing-Beratung und war sechs Jahre lang bei A.T. Kearney tätig, bevor ich zu Zalando gewechselt habe. Bei Zalando war ich für den Preisalgorithmus verantwortlich. Hier konnte ich erleben, welches Potential intelligentes Pricing mit Machine Learning Technologie birgt. Mit 7Learnings bieten wie die Pricing-Methoden von Händlern wie Zalando allen Unternehmen an. Das machen wir jetzt schon eineinhalb Jahre, und bis jetzt sehr erfolgreich. Ich kümmere mich bei uns um das Porduktmanagement und Customer Excellence.

Eiko: Ich bin ebenfalls Mitgründer und Geschäftsführer von 7Learnings und kümmere mich vornehmlich um Marketing und Vertrieb bei uns. Ich war zuvor 5 Jahre als COO bei Thermondo tätig. Die Kerninnovation hinter dem Modell von Thermondo ist auch ein Pricing-Algorithmus.

Christian/Rene: Ihr wollt allen ermöglichen, so zu arbeiten, wie Zalando – das bedeutet im Umkehrschluss, dass der Großteil das noch nicht tut. Wo steht das Thema Pricing derzeit im Bereich E-Commerce, welche Bedeutung kam ihm 2020 bislang zu?

Eiko: Man kann generell sagen, dass E-Commerce-Unternehmen auf dem Gebiet des Pricings Vorreiter sind, vor allem in ihrer Bereitschaft Preise dynamisch anzupassen. Trotz dieser Bedingungen stoßen wir häufig auf Organisationen, die keine eigene Pricing-Abteilung haben und nur wenige Ressourcen zur Analyse und Verbesserung einsetzen. Technologisch und methodisch wird auf regelbasiertes Pricing gesetzt, oft um Price-Matching-Strategien umzusetzen. Nur wenige Händler nutzen echte KI für das Pricing, wodurch die Preisgestaltung optimiert und automatisiert und so höhere Umsätze erzielt werden können.

Christian/Rene: Zu diesem Zweck muss man sich auch Preiselastizitäten anschauen und granulare Ansätze nachvollziehen können. Inwieweit verstehen Unternehmen und Händler diese Aspekte?

Eiko: Da gibt es letztendlich auch das ganze Spektrum. Es gibt Händler, die bereits erkannt haben, dass man Machine Learning nutzen kann, um Geschäftsergebnisse signifikant zu verbessern. Und es gibt Händler, die muss man wirklich ganz am Anfang abholen, indem man ihnen die Relevanz erklärt und klar macht, dass es sich dabei nicht um Science Fiction handelt.

Felix: Du bringst gerade selbst das Thema Elastizität zur Sprache: Das ist klassischerweise genau der Punkt, an dem Händler beziehungsweise die zuständigen Teams scheitern. Es ist ein sehr komplexes Thema. Deshalb macht Outsourcing hier auch Sinn.

Christian/Rene: Was genau macht das Berechnen von Elastizitäten so kompliziert?

Felix: Unter idealen Bedingungen ist der Preiseffekt auf den Absatz ohne weiteres nachvollziehbar. In der Realität wird dieser jedoch durch mehr oder minder störende Faktoren wie Marketing, Wochentage, saisonale oder wöchentliche Rhythmen, Wetter oder eben Corona verzerrt. All diese Faktoren beeinflussen die Nachfrage. Und daran lässt sich auch nichts ändern. Die Güte der Preisfindung hängt am Ende ganz entscheidend davon ab, wie gut man darin ist, das Ausmaß ihres Einflusses vorherzusagen.

Christian/Rene: Das heißt, Preismanagement beruht auf guten Daten. Was bedeutet in diesem Zusammenhang eigentlich gut?

Felix: Gut wäre zum Beispiel, wenn man seine historischen Preise speichert, und das nicht nur mit dem Jahr, sondern bis hinunter zum Tag. Obwohl sich das so banal anhört, ist das ein Problem, das wir tatsächlich bei sehr, sehr vielen Händlern sehen. Dabei müssen auch Tage vermerkt werden, an denen nichts verkauft wurde. Vor allem im Hinblick auf die Preisgestaltung auf der Grundlage maschinellen Lernens sind die Aufbereitung und Säuberung von Daten einfach ungeheuer wichtig. Das ist auch der Bereich, in dem wir über all unsere Projekte hinweg Expertise aufbauen, und damit auch eine erfolgskritische Aufgabe, die wir für unsere Kunden übernehmen.

Christian/Rene: Sicher nehmen viele an, dass man diese verschiedenen Einflussfaktoren auch einfach anhand von Statistiken einschätzen könnte. Wie erklärt ihr dem Kunden die KI-Komponente und ihren Mehrwert?  

Felix: Das passiert im Grunde schon, wenn wir dem Kunden erklären, was wir machen. Wir gründen unsere Preisentscheidung nun einmal nicht auf Regeln, die der Kunde selbst definieren muss, sondern auf Prognosen. Und wenn keine Regeln definiert werden müssen, ist auch keine regelmäßige Überarbeitung notwendig. Unser Algorithmus lernt selbständig und verbessert kontinuierlich die Ergebnisse der Optimierung. Auf diese Weise lassen sich 5 bis 15 Prozent höhere Gewinne erzielen. Diese Zugewinne weisen wir regelmäßig in AB Tests bei unseren Kunden nach. Zusätzlich vereinfachen wir die Preissteuerung radikal: Der Kunde gibt ein Umsatz- und Gewinnziel vor. Unsere Software liefert darauf optimale Preise.

Christian/Rene: Auf welche spezifischen Ebenen des Preismanagements stoßt ihr vor? Setzt ihr den Preis nur für das jeweilige Produkt fest oder kümmert ihr euch zum Beispiel auch um den Produktpreis in Abhängigkeit vom Kundensegment?

Eiko: Wir können segmentspezifische oder kanalbhängige Preise liefern. Wir bieten beispielsweise länderspezifisches Pricing an.

Felix: Auf Kundenebene gehen wir dabei derzeit nicht. Kundenindividuelle Preise, die zum Beispiel vom genutzten Device abhängen, bergen auch die Gefahr unzufriedener Kunden. Grundsätzlich sehen wir hier ein Potential, aber die Verarbeitung der Daten, die dafür erforderlich wären, ist nicht so ohne weiteres möglich.

Christian/Rene: Angenommen, ich wäre ein Händler. Wie müsste meine Infrastruktur aussehen, wenn ich von eurem Ansatz profitieren möchte und wie kann ich eure Erkenntnisse am besten integrieren?

Felix: Es ist hilfreich, wenn Preisentscheidungen im Unternehmen bereits zentralisiert sind. Daher es gibt eine Stabsabteilung für Pricing oder es gibt zumindest einen dedizierten Ansprechpartner. Einer der Vorteile in der Zusammenarbeit mit uns ist, dass praktisch kein Integrationsaufwand notwendig ist. Der Datenaustausch kann im einfachsten Fall über CSV-Tabellen erfolgen. Die Berechnung von Preisszenarien erfolgt dann über unsere Lösung in der Cloud.

Mit unserer Software liegt die abschließende Preis- und vor allem auch Strategieentscheidung beim Händler. Die Preisempfehlungen unseres Algorithmus werden nicht sofort ins Live-System übertragen und sind für den Endkunden sichtbar. Der Händler berechnet mit unserer Lösung verschiedene Preis-Szenarien und  muss am Ende selber entscheiden, worin seine Zielsetzung besteht – sei es maximaler Umsatz oder maximaler Gewinn oder ein anderer Wert – bevor er die Optimierung für sein jeweiliges Ziel hochlädt.  Zusätzliche Infrastruktur ist nicht notwendig. Vor allem spart sich der Händler ein eigenes Data Science Team, dass Preisentscheidungen vorbereitet und Daten aufbereitet.

Christian/Rene: Wenn der Händler also imstande ist, euch die richtigen Grundlagendaten zur Verfügung zu stellen, kann er schon sehr viel mehr machen als seine Konkurrenz, ist das richtig?

Eiko: Das ist grundsätzlich richtig. Es gibt mehrere Erfolgsfaktoren und die Datengrundlage ist nur eine davon. Wenn gute Daten vorhanden sind, die den Absatz erklären, verbessern sich die Ergebnisse der Optimierung maßgeblich. Zusätzlich ist die Anreicherung und Aufbereitung der Daten ein wichtiger Erfolgsfaktor. Dieser ist nicht zu unterschätzen. Und schließlich die Frage nach dem Modell: Benutze ich die richtigen Modelle, sodass auch wirklich akkurate Vorhersagen getroffen werden können? Führt meine Optimierung zu besseren Ergebnissen? Wenn ja, kann ich mich damit bereits sehr gut differenzieren.

Christian/Rene: Welche Durschlagkraft hat so ein Preismanagement? Was kann ein Händler von seinem Einsatz erwarten, wie wirkt es sich auf die Margen aus? Könnt ihr dazu etwas sagen, ohne Geheimnisse einzelner Kunden zu verraten?

Eiko: Ja. Wir testen unsere Technologie bei jedem Kunden und messen, was wir im Vergleich zum Status quo erreichen konnten. Wir konnten dabei Gewinnsteigerungen zwischen 5 bis 15% nachweisen – im Durchschnitt 10%. Wie hoch die Steigerung im Einzelfall ist, hängt z. B. davon ab wie fortschrittlich das bisherige Pricing ist und auf welchem Markt der Händler unterwegs ist.

Christian/Rene: Welche Entwicklungen beobachtet ihr in Sachen Pricing? Wo wird dieser Bereich in drei bis fünf Jahren stehen?

Felix: Ich glaube, dass in fünf Jahren die meisten der großen Händler Predictive Pricing nutzen werden. Und es wird stärker mit anderen Geschäftsbereichen verbunden sein, zum Beispiel mit dem Einkauf. Man wird bereits während der Einkaufsplanung Prognosen erstellen, wie: Wenn ich von diesem Artikel jetzt 800 Stück kaufe, wie stark muss ich den dann diskontieren, damit ich alle abverkaufe, und wie hoch wird mein Gewinn sein? Oder mit dem Marketing: Ich habe jetzt 100.000 Euro zur Hand, die ich in mein Wachstum stecken kann. Investiere ich die in eine Preissenkung, eine Coupon-Kampagne oder doch lieber in eine Influencer-Kampagne? Dann kann man als Manager immer noch den Vorschlag des intelligenten Algorithmus ablehnen, aber immerhin wurde die Entscheidung auf der Grundlage der besten, verfügbaren Datenbasis getroffen. Ein Beispiel aus unserer Kundenhistorie: Ein großer stationärer Konkurrent unseres Kunden hat gerade einen Online-Shop eröffnet. Daraufhin hat der Kunde gefragt, was denn passieren würde, wenn er jetzt alle seine Preise auf die Konkurrenz-Preise umstellen würde – was würde das ausmachen? Also hat er das Szenario mit unserer Software simuliert – und er hat die Hände überm Kopf zusammengeschlagen und gesagt: Das sieht ja schlimm aus, das mache ich lieber nicht! Ohne uns hätte er es wahrscheinlich einfach getan – und richtig viel Geld verloren.

Christian/Rene: Das waren klasse Insights! Vielen Dank für das Interview.

 

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