ORION zählt zu den Urgesteinen der Erotikbranche und entstammt dem Umfeld von Beate Uhse. Janne verantwortet hier bei ORION in Flensburg das Online-Geschäft im B2C Bereich. Wir sprechen mit ihm unter anderem über den Einbezug von Kunden in die Produktentwicklung, die Bedeutung des Themas Influencer Marketing im Erotik Bereich sowie die allgemeine Aufstellung von ORION im Marketingbereich.

Christian/Rene: Vielleicht alle die ORION ggf. noch nicht kennen, was macht Ihr und wer ist Eure Zielgruppe?

Janne: ORION ist ein Händler mit einer ausgeprägten Herstellerkompetenz. Wir haben diverse Produkte in unserem Portfolio, die wir, zusammen mit Erfindern, von der Pike auf entwickeln. Wir haben aber keine eigenen Produktionsstätten, sondern arbeiten mit Herstellern in Fernost und Europa zusammen, um primär Produkte mit erotischem Hintergrund zu entwickeln. Dazu zählen z. B. Sex-Toys, erotische Wäsche, Drogerieprodukte, Gleitgele, Kondome, Fetischprodukte und Unterhaltungsprodukte. Neben den Eigenmarken arbeiten wir auch mit vielen Marken direkt zusammen und vertreiben deren Produkte über unsere unterschiedlichen Vertriebskanäle.

Christian/Rene: Wie entwickelt Ihr die Produkte und wie kommt ihr an die Erfinder heran?

Janne: Wir haben zum einen bei uns im Einkauf ein eigenes Produktentwicklungs-Team, dass sich ausschließlich um Innovation kümmert. Sie arbeiten teilweise mit Erfindern von extern zusammen, entwickeln jedoch auch eigene Produkte und Technologien. Die Erfinder kommen in der Regel auf uns zu, um ihre Produkte vertriebstauglich zu machen und danach in großen Mengen in den Markt zu bringen. Unsere Wäsche wird ebenfalls zum Großteil selbst designed und entworfen und geht dann erst in die Massenproduktion. Das ist auch einer unserer UPSs, dass wir inhouse sehr viel Kompetenz besitzen.

Christian/Rene: Was sind Neuheiten, die man aktuell in Euren Marktsegment herausbringt?

Janne: Es muss nicht unbedingt eine Weltinnovation sein. Viele Erfindungen sind Weiterentwicklungen bestehender Produkte, die gezielt im Hinblick für ausgewählte Zielgruppen entwickelt wurden. Ein Beispiel hierfür ist eine Neuheit aus dem letzten Jahr, der Suck-o-Mat – einer Weiterentwicklung von konventionellen Masturbatoren.. Oder der Belou, eine Weiterentwicklung eines normalen Vibro-Eis.. Qualität ist ein wichtiges Merkmal, für unseren B2B und B2C Kunden. Jedes Produkt wird von uns geprüft, egal ob Eigen- oder Fremdmarke. Verkaufen wir Produkte nach Asien, ist das Qualitätsmerkmal „Made in Germany“ oder „Desinged in Germany“ nicht zu verachten.

Christian/Rene: Wie sammelt ihr Kundenfeedback, gibt es da Umfragen oder sprecht ihr mit Kunden?

Janne: Wir haben einen großen Produkttester-Pool und einen Prozess definiert, welche Anforderungen wir an Produkttester haben. Wir bekommen hierdurch ein sehr detailliertes und gutes Feedback. Je nach Relevanz des Produktes wird mehr oder weniger intensiv getestet. Neben externen Testern haben wir auch diverse interne Produkttester und erhalten so ein sehr breites Stimmungsbild. Geht ein Produkt in den Markt, hört das Testen und Verbessern jedoch nicht auf. Wir hören unsere Kunden und versuchen ihren Wünschen nachzukommen, um unser Sortiment weiter zu verbessern.

Christian/Rene: Ihr habt Eure Wurzeln unter anderem im Großhandel und in den letzten Jahren massiv in Online investiert. Wie seid ihn in diesem Bereich aufgestellt?

Janne: Wir haben in den letzten vier Jahren viel in die technische Infrastruktur, in Mitarbeiter, in E-Commerce Prozesse und auch in die Vertriebsprofessionalisierung investiert. In den kommenden Jahren wollen wir weiter an der Marketingautomatisierung arbeiten um schneller und individueller auf jeden einzelnen Kunden reagieren zu können. Vorbilder am Markt gibt es da genug. Als „klassischer Versandhändler“ spielt Print ebenfalls eine wichtige Rolle, ist jedoch als Marketingkanal fest in unserer Kampagnenstruktur verankert und integriert.

Christian/Rene: Was bedeutet das genau?

Janne:  Nur um ein paar Punkte zu nennen: Weiterhin eine Automatisierung von Anstoßketten, Kanal übergreifend. Eine stärkere Vernetzung der Kampagnen, Kanäle, Sortimente und Zielgruppen. Die Messbarkeit der Aktionen und Endgeräte verbessern oder die Marktplätze noch individueller zu bespielen.  

Christian/Rene: Konkurrenten wie Amorelie arbeiten teilweise stark mit TV-Werbung. Wie sieht Eure Marketingstrategie bzw. Kanalstrategie aus?

Janne: TV-Werbung spielt in unserem Marketingmix eine untergeordnete Rolle. Wir freuen uns natürlich, dass unsere Branche mittlerweile so gut im TV vertreten ist (dadurch erhalten wir alle mehr Aufmerksamkeit), konzentrieren uns jedoch weiterhin auf Kanäle, die besser in unseren Marketingmix passen.. Wir klassifizieren Kanäle nach Interessenten- oder Neukundengewinnung, Neu- zu Stammkundenwandlung, Stammkundenbindung, Reaktivierung. Dabei hat jeder Kanalverantwortliche klar gesteckte Ziele und agiert eigenständig, um diese zu erreichen. Das schafft einerseits Unabhängigkeit und Geschwindigkeit, andererseits aber auch eine Verantwortlichkeit und die Möglichkeit, Aktionen zu zeitnah zu shiften. Dabei spielen die klassischen Kanäle weiterhin eine große Rolle (SEA, SEO, Remarketing, Email & Co.), wir arbeiten jedoch auch sehr erfolgreich mit diversen Influencern zusammen und generieren mittlerweile nennenswerte Umsätze über den Kanal. Die Vernetzung der Kanäle im Hinblick auf eine gezielte Optimierung des Werbebudget im Sinne eines Attributionsmodells steckt bei uns frühen Stadium, reicht für unsere Zwecke jedoch aus. Attribution hat uns bisher dabei geholfen, Kanäle und Aktionen besser bewerten zu können, sodass wir auch weiterhin an diesem Bereich arbeiten werden.

Christian/Rene: Du hast grad angesprochen SEA als Kanal zur Neukundenakquise noch immer sehr wichtig ist. Ich habe vor einigen Wochen bei einem eTribes Dinner mit Tarek von AboutYou gesprochen. Es sagte mir, dass bis zu 70% der Umsätze bereits über die App generiert werden. Gleichzeitig spielt bei AboutYou das Thema Influencer Marketing eine riesige Rolle. SEA hat hingegen einen vergleichsweise geringen Stellenwert. Wie seht ihr diese Themen?

Janne: Apps entwickeln wir zur Zeit nicht, da wir nur sehr schwer in die App-Store kommen. Und wenn wir aufgenommen werden, dann fliegen wir in der Regel sehr schnell wieder heraus. Es ist definitiv spannend wie relevant, in unserem Fall aber nicht ohne weiteres realisierbar. Am Thema Influencer Marketing arbeiten wir seit zweieinhalb Jahren sehr stark und wir haben hier ein kleines Team aufgebaut. Bereits heute ist daraus ein tragender Kanal in der Lead Generierung geworden, wir erzielen hier durchaus gute Umsätze. Neben den externen Influencern treten auch unsere Mitarbeiter nach außen auf, sie entwerfen Stories, helfen bei Fragen zu Produkten oder bringen den Kunden Themen rund um die Sexualität näher. Auf diesem Wege entstehen Kundenrelevante Inhalte, gleichzeitig wird die persönliche Nähe aufgebaut, die im Idealfall in einer starken Kundenbindung mündet. Ganz ohne SEA & SEO können wir definitiv nicht, wobei das wohl noch einem Großteil des Handels so gehen wird.

Christian/Rene: Die Themen Plattform Marktplätze und GAFA sind aktuell viel diskutierte Themen.  Gleichzeitig distanzieren sich immer mehr Hersteller – wie jüngst z. B. Nike – von Amazon.  Kann man in Eurem Segment eine Plattform werden und wie denkt Ihr über das Thema Marktplätze im Allgemeinen?

Janne: Dass wir selber eine Plattform werden, dass wird so schnell nicht passieren. Um als Marktplatz relevant zu sein, brauchst du ziemlich viel Traffic, um dann irgendwann Drittanbieter vernünftig einbinden zu können. Der technische Aufwand ist ebenfalls nicht zu unterschätzen, sodass Kosten/Nutzen nur schwer verargumentierbar ist. Wir auf allen gängigen Marktplätzen vertreten und nutzen die Plattformen, um mehr Masse zu schaffen. Unser Marktplatz-Team läuft so etwas autark und entwickelt teilweise eigene Sortimente, um besser auf den Plattformen agieren zu können. Je nach Marktplatz und Land sind die Kundenbedürfnisse auch ganz andere, z.B. China vs. Europa.

Christian/Rene: Wo seht ihr euch in drei bis vier Jahren und welche Trends prägen Euren Markt?

Janne: Wir möchten ganz klar weiterhin ein stark etablierter Player in unserer Branche sein, und als Experte in Sachen Sex und Beziehung auftreten. Genderansprache und Sexismus in der Werbung sind im Allgemeinen wichtige Themen, die uns täglich beschäftigen. Darüber hinaus verändert sich auch das familiäre Bild im Vergleich zu früher. Dies beeinflusst uns bereits heute in der Produktion und bei der Produktplanung. Es gibt sehr viele technische Trends, wie z. B. App- & ferngesteuerte Toys oder neue ökologische Entwicklungen, die für uns relevant sind. Auf der wirtschaftlichen Seite sind neue Marktplätze interessant für uns, speziell um Fuß in weiteren Ländern zu fassen. Im Marketingbereich profitieren wir davon, Trends schnell zu erkennen und diese für uns zu nutzen.  Wir arbeiten an solchen Themen mit projektübergreinden Teams und schaffen es so, zumindest early adopter zu sein.

Christian/Rene: Vielen Dank für das Interview!

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