Die Corona Krise wird vielfach als Digitalisierungsbeschleuniger angesehen. Technische Kompetenzen werden damit noch wichtiger als sie ohnehin schon waren. Dies führt unmittelbar zu der Frage, was ein guter CEO im Jahr 2020 über IT wissen muss und wie er den Reifegrad seine IT beurteilen kann. Wir sprechen zu diesen und weiteren Themen mit Matthias Patzak (u. a. CDO HSE24, langjähriger CTO bei AutoScout24, Principal Advisor bei Amazon). Viel Spaß beim lesen!

Christian/ Rene: Was muss ein CEO und CMO aus deiner Sicht jetzt im Jahr 2020 über Software-Architektur und Entwicklung wissen, um noch mitspielen zu können?

Matthias: Er braucht nichts wissen. Er soll sich lieber einen starken CTO suchen, dem er vertraut, ihm die richtigen Ziele setzen und ihn dann machen lässt. Es gibt aber durchaus drei Dinge, die ich aus Sicht eines CTO vom CEO/ CMO erwarten würde. Erstens sollte er verstehen, welchen Unterschied neue Technologien und Daten ausmachen – hinsichtlich 3 Bereichen: Kundennutzen, Effizienz und Kosten. Dafür muss er nicht konkretes IT-Fachwissen haben, aber er muss seine Organisation mit nationalen und internationalen Innovatoren und Best-Practice-Unternehmen benchmarken, um zu neuen Zielen vorzustoßen. Häufig vergleichen sich Unternehmen nur auf Augenhöhe, d. h. sie schauen in der gleichen Liga. Du bist ein Kreisligaverein und du schaust auf die anderen Kreisliga-Clubs. Wenn du aber die Ambitionen hast in der Champions-League zu spielen, dann musst du natürlich einen Blick auf die Vereine in der Champions League werfen oder zumindest in Richtung Bundesliga blicken. Es gibt About You oder andere Unternehmen, die mehr als nur ein paar Dinge richtig angehen. Und ich erwarte von einem guten CEO, dass er dazu in der Lage ist solche Unternehmen zu identifizieren.

Christian/ Rene: Die Champions League ist in der Regel teuer…

Matthias: Genau, das führt uns zum zweiten Punkt. Die Konsequenz aus einem solchen Benchmark wird sein, dass der CEO investieren muss – nachhaltig und dauerhaft. Vor allem muss er in digitale Talente investieren und erst dann in seine Systeme. Als Gegenleistung kann er von den digitalen Talenten erwarten und verlangen, dass sie wesentliche Geschäftskennzahlen (KPI) zum Positiven ändern können. Getreu nach dem Motto: „Wir machen IT NICHT der IT Willen und ich habe das neueste Tool und ich habe die meisten Server, sondern ich als ITler will mit den Tools und Servern die kaufm. KPI maßgeblich verbessern, natürlich auch immer im Zusammenspiel mit kauf. Kollegen.

Christian/Rene: Was ist der dritte Punkt?

Matthias: Das dritte, was ich von einem CEO erwarte ist, das er die Komplexität seiner IT-Landschaft versteht. Wenn du den Geschäftsführer fragst, wie viel IT-Systeme er hat, antwortet er i. d. R. sieben, vielleicht sagt er zwölf. Dann denkt er an sein SAP-System, an Office und Outlook und an irgendwelche anderen für ihn selbst relevanten Systeme. Wenn du tatsächlich einmal durch die Lizenzen durchgehst oder durch die Systemlandschaft, dann landest du bei einem durchschnittlichen deutschen Mittelständler bei >100 unterschiedlicher Software-Tools. Allein das Marketing hat 15 bis 20 Tools im Einsatz. SEO-Tools, Advertising-Tools, CRM-Tools, E-Mail-Tools. Der CEO muss verstehen, dass ihn

  • diese Komplexität langsam macht,
  • Daten oft nicht zusammenpassen,
  • Als Konsequenz KPIs oft nicht aufeinander abgestimmt sind und das
  • seine IT-Landschaft schneller verwildert und verwahrlost als ein Schrebergarten.

Christian/Rene: Was kann/muss der CEO nun tun?

Matthias: Er MUSS diese Komplexität auf seine Ziele und Ambitionen mappen. In vielen Unternehmen wurde über Jahre hinweg in die IT unterinvestiert, was sich jetzt rächt. Der CEO muss sich nun überlegen, auf welche Themen er seinen Fokus setzt. Vor allem muss er aber auch verstehen, dass IT-Projekte mittlerweile anders erfolgreich durchgeführt werden als früher. Es ist nicht mehr so wie früher (Anmerkung des Verfassers: …und früher ist noch gar nicht mal so lange her), dass man eine Spezifikation schreibt und der IT über den Zaun wirft. Du musst initial vom Kunden herdenken und die Dinge, die du umsetzen möchtest, vorab testen. Viele Industrien kennen den Begriff Forschung und Entwicklung, aber in vielen Unternehmen gibt es bei IT-Projekten gar keine Forschung. Da wird sofort entwickelt, aber es wird nicht geschaut, was das tatsächliche Ziel ist von dem, was man bauen möchte.

Christian/Rene: Welche Probleme trifft man typischer Weise an, wenn man nicht so arbeitet?

Matthias: Ein Drittel der Dinge, die oft mit hohem Aufwand entwickelt wurden, funktionieren nicht oder werden vom Kunden nicht akzeptiert. Ein weiteres Drittel verschlechtert ggf. sogar die kaufmännischen KPIs. Wenn man diese grobe Faustregel heranzieht, kommt es häufig zu der falschen Einschätzung, dass die IT teuer ist und es immer lange dauert. Tatsächlich hat der CEO es aber versäumt, eine Kultur zu entwickeln, die den Kunden in den Vordergrund rückt und testen ermöglicht.

Christian/ Rene: Was ist für dich der beste Benchmark im Markt, wenn es um eine moderne Arbeitsweise geht?

Matthias: Amazon, ohne wenn und aber. Amazon hat in den 90ern bei Null gestartet und hat gleich mehrere Industrien disruptiert und nebenbei die komplette IT-Landschaft im Handel revolutioniert. Mit den Amazon Webservices haben sie ihren eigenen IT-Footprint so effizient, kundenorientiert, kostenfokussiert industrialisiert, dass ganze Industrien ihre Rechenzentren herunterfahren, um zu Amazon oder vergleichbaren Angeboten von Microsoft oder Google zu migrieren. In Deutschland finde ich eCommerce Firmen wie Zalando, About You oder OTTO sehr gut aufgestellt. Gerade Otto ist interessant. Bei denen hätte man als klassischer Versandhändler nicht gedacht, dass sie es so gut hinbekommen.

Christian/ Rene: Was ist aus deiner Sicht das Erfolgsrezept von Amazon?

Matthias: Zum einen sagen sie „wir machen es“ und setzten es tatsächlich auch um – mit massivem Kundenfokus. Zum anderen denke ich, dass ihre Leitsätze 24/7 in allen Positionen zu 100% leben. In diesen 14 Leitsätzen steht genau drin, was Amazon wichtig ist. Und wenn du einmal im Recruiting durch einen Interviewprozess bei Amazon gelaufen bist, dann führst du fünf bis sieben Gespräche (gilt auch für Amazon Webservices als  technischer Business-Part), in denen du sieben Stunden auf Herz und Nieren interviewt wirst –  eine halbe Stunden davon ist Technik (Anm. des Verfassers: Skills) und in  sechseinhalb Stunden geht es darum, wie du tickst (Anmerkung des Verfassers Capabilities)! Passt du in die Kultur von Amazon? Denkst du wie Amazon es möchte, dass du denkst. „Bias for Action“, „Think Big“ und „Bist du mutig“, sind dort genauso Themen wie „Triffst du Entscheidungen“, im Bewusstsein, dass die auch fehlschlagen können. Was sind Konsequenzen solcher Fehlschläge, bzw. von deinen Fehlern und wie viel Geld verlieren wir denn? Und wie reduziere ich dann ggf. diesen Verlust, wenn es wirklich zum Fehlschlag kommt? Amazon hat sehr moderne Fehler-Kultur gepaart mit einem sehr kaufm. Entwickeln von Projekten.

Christian/ Rene: Wenn ich als CEO nun bereit bin zu investieren: Was sind die Leitprinzipien für den Aufbau so einer Tech-Organisation?

Matthias: Grundsätzlich glaube ich, sollte jede Organisation und besonders eine Tech-Organisation einem Prinzip folgen. Der englische Begriff lautet: „Loosely coupled, highly aligned“. Als erstes muss du trotz der Komplexität schnell sein, in deiner IT-Landschaft, in deinen Geschäftsprozessen, in der Befriedigung der Kundenbedürfnisse. Dafür musst du Dinge schnell bauen aber auch schnell reagieren können. Du musst schneller sein als dein Wettbewerber und vor allem musst du schnell Dinge ausprobieren. Was dich langsam macht, sind Abhängigkeiten zwischen den Tech-Teams und Organisationseinheiten, sowohl horizontal als auch vertikal. Es stellen sich mit zunehmender Komplexität exponentiell folgende Fragegestellungen: Mit wem muss darüber überhaupt gesprochen werden? Wer muss konzeptionell oder operativ involviert sein? Wer muss vorbereiten, umsetzen oder auch nacharbeiten, damit ein Kunde zufrieden ist? Dafür ist es wichtig, dass Organisationseinheiten lose gekoppelt sind, d. h. sie müssen so unabhängig wie möglich sein.

Christian/ Rene: Was genau bedeutet das auf Team-Ebene?

Matthias: Die Teams müssen viele Dinge in sich vereinen, an Fähigkeiten und an Entscheidungsbefugnissen, um Dinge allein anzugehen. Das ist mit „loosely coupled“ gemeint. Was du aber auf der anderen Seite absolut nicht willst ist, dass alle Teams in unterschiedliche Richtungen laufen und jeder sein Ding macht. Jeder kann diese Entwicklungen aus seinem eigenen IT-Umfeld sicher schmerzlich nachvollziehen. Aus diesem Grund müssen die Teams „highly aligned“ sein und in die gleiche Richtung laufen. Dieses sicher zu stellen, ist für mich tatsächlich eine zentrale Aufgabe für das gesamte C-Level, aber insbesondere für den CTO. Führungsteams müssen so aufgestellt werden, dass sie als unabhängige Einheiten in die gleiche Richtung gehen.

Christian/Rene? Damit stellst Du auf die Vision und Strategie ab, richtig?

Matthias: Exakt. Was ist die Vision und Strategie? Was sind die Kennzahlen, die wir optimieren? UND was optimieren wir nicht? Du musst zu Dingen nein sagen, um zu vermeiden, zu viele Sachen gleichzeitig anzugehen, sonst wirst Du langsam.

Christian/Rene: Stellt so ein Ansatz nicht hohe Herausforderungen an die Mitarbeiter?

Matthias: In dem „loosely coupled“ steckt ergänzend „crossfunktional“ und „t-shaped“ mit drin. Neben Entwicklern sind Produktmanager in die Teams involviert, ebenso wie Mitarbeiter aus dem Marketing und Sales, damit Schnittmengen übergreifend gearbeitet wird. Das bedeutet wiederum, dass nicht nur sehr spitze Skills gefragt sind, sondern auch übergeordnete, z.B. Kommunikation- oder Prozess-Know-hows. Die Spezialisten sollen natürlich weiterhin spitz spezialisiert sein. Aber Ihre Fähigkeiten sollen in Form eines Kegel vorhanden sein, „t-shaped“, um über den Tellerrand blicken und in Zusammenhängen arbeiten zu können.

Christian/Rene: Häufig klappt gerade der interdisziplinäre Teil in der Zusammenarbeit nicht. Viele Menschen sagen sich einfach „ich mache mein Ding“ und warte mal ab, was passiert. Ein typisches Wandelproblem. Wie kann man damit umgehen?

Matthias: Die kurze Antwort: Wer nicht mitzieht, der fliegt heraus.

Christian/Rene: Was ist die ausführliche Antwort?

Matthias: In jedem Unternehmen findest Du Leute, die Lust haben besser zu werden. Diese Leute kannst du verhältnismäßig einfach mitnehmen und sie ziehen in der Regel andere Mitarbeiter mit. Natürlich gibt es immer Menschen, die sich nicht verändern wollen. Sie finden ebenfalls ihren Platz, der ist aber in einem anderen Unternehmen. Wenn man das durchzieht, kann man tatsächlich diese unabhängigen Teams schaffen, die cross-funktional arbeiten und ein T-Shape haben. Das Gute ist, es gibt genug Leute, die sich wandeln können und wollen und die Frage ist nur, auf welcher Seite vom Zaun wollen diese Mitarbeiter stehen? Es ist die Aufgabe des CEOs und seines Führungsteams, hier die Richtung vorzugeben.

Christian/Rene: Wie siehst Du den Unterschied zwischen Hohlschuld und Bringschuld, wenn es um das Thema Weiterbildung geht, um so ein T-Shape aufzubauen?

Matthias: Als Führungskraft habe ich irgendwann den Spieß umgedreht. Die Leute sind jedes Jahr zu mir gekommen und haben mich gefragt, wie sich sie weiterentwickele. Ich haben ihnen dann gesagt ich entwickele nicht dich weiter, DU entwickelst dich weiter. ABER ich kann dir folgende Angebote machen und ich unterstütze dich uneingeschränkt und individuell. Und das gleiche gilt bei den Leuten, die nicht T-Shape werden wollen, nur umgekehrt.

Christian/Rene: Anhand welcher Kriterien kann ein CEO den Reifegrad seiner Tech-Org beurteilen?

Matthias: Ich mache regelmäßig Due Diligences aus der Sicht eines IT-Verantwortlichen, so dass ich mit der Situation häufig konfrontiert bin – von außen sind es für mich klar drei Kernfragen die zu stellen sind:

  • Erstens, liefert deine IT-Business-Value? Gibt es eindeutige Business-KPI, die sich zum Guten geändert haben? Wenn du eine Organisation mit hundert, dreihundert oder fünfhundert Leuten, die Anzahl ist im Prinzip egal, in der IT führst und die Business-KPI, an denen diese IT-Systeme sitzen, sich nicht positiv verändern, z. B. die Durchlaufzeiten werden nicht kürzer, der Lagerbestand wird nicht optimiert oder der Umsatz erhöht sich nicht, dann sind das in der Regel auch gute Indikatoren, dass etwas in der IT nicht stimmt. Häufig muss man gar nicht ins Detail einsteigen um herauszufinden, dass etwas nicht stimmt. Wenn kein Business Value herauskommt, hast du eine schlechte IT. Dann ist es auch relativ egal ob sie die „richtige“ oder „falsche“ Programmiersprache nutzen, etc.
  • Das zweite Kriterium ist die Häufigkeit und Dauer der Releases. Wie häufig ist die IT Produktorganisation dazu in der Lage, Dinge zu verändern, Dinge auszuprobieren, Dinge für den Kunden abzuliefern? Es gibt immer noch Unternehmen, die machen so etwas einmal im Jahr. Ich finde bereits einmal im Quartal und einmal im Monat viel zu wenig. Zehn Releases am Tag, das ist etwas, wo ich einem CEO sagen würde, da hast du eine gute IT-Organisation.
  • Das dritte Kriterium ist ein bisschen unkonventionell: Von woher kommen Neueinstellungen auf Personalseite? Do you attract talents? Kommen Leute zu dir, von denen du dann ebenfalls lernst oder stellst du Leute ein, denen du dann alles beibringst? Das macht einen großen Unterschied aus. Wer eine gute Employer-Brand hat, aufgrund einer guten Unternehmenskultur, der Ambitionen oder weil man interessante Projekte hat, der ist dazu in der Lage, Top-Leute neugierig zu machen, so dass sie bei dir anfangen, anstatt in lahmen Old School Unternehmen.

Christian/Rene: Was sind die häufigsten Fallenstricke, an denen die meisten Menschen beim Auf-/Umbau einer solchen Tech-Org scheitern?

Matthias: Ich glaube, dass der erste und der größte Fallstrick mentaler Natur ist. Die meisten Leute unterschätzen, wie groß Nachholbedarf in der IT ist. Wie weit sie hinten dran sie sind mit ihren Systemen, Release-Zyklen und vor allem wie weit sie hinten dran sind mit ihrer Architektur. Hinzu kommen veraltete oder nichtexistierende Prozesse. Auf personeller Ebene fehlen Prinzipien und mentalen Modelle in der IT teilweise auch die frischen Talente. Ich glaube, dass etablierte Unternehmen oft viele Leute haben, die mehr könnten. Allerdings sind die Strukturen so aufgesetzt und häufig veraltet, so dass das volle Potenzial der Mannschaft nicht ausgeschöpft wird. So kann sich keine Kultur entwickeln, in der die Leute stolz sind, ein Teil des Ganzen sein zu dürfen.

Christian/Rene: Gibt es weitere Fallstricke?

Matthias: Der zweite Fallstrick besteht häufig darin, dass die IT-Bereiche vieler Unternehmen gar keine IT machen. Deren Aufgabe besteht vielmehr darin, externe Dienstleister zu koordinieren. In so einer Situation hast du aber kein aktuelles Tech-Know-how innerhalb des Unternehmens. Und das ggf. noch vorhandene Wissen ist 10 oder gar 20 Jahre alt. Die Leute, die jetzt koordinieren und die früher einmal selbst die IT gemacht haben, sind aber definitiv stehengeblieben. Und deswegen ist deren Mindset komplett veraltet. Die Dienstleister, die sie zum „koordinieren“ beauftragen, passen natürlich zu dem mentalen Modell, was die Sache natürlich nicht besser macht. Dienstleister aus der neuen Welt passen zwangsläufig nicht zu den alten Arbeitsweisen und somit passen die alten Unternehmen und die neuen Dienstleister kategorisch nicht zusammen. Die alten Unternehmen können ohne einen harten Schnitt keinen Kulturwandeln erzeugen.

Christian/ Rene: Können solche Unternehmen überhaupt erfolgreich digital transformieren?  Der Fisch stinkt bekanntlich vom Kopf und wenn keine Einsicht vorhanden ist, kann es im Prinzip nur scheitern.

Matthias: Zuerst stellt sich die die Frage, was ist Scheitern? Dann müssten reihenweise Unternehmen Pleite gehen. Dem ist aber nicht so. Es gibt genug Unternehmen, die nach wie vor überleben. Man kann über OTTO sagen was man will, sie haben es aber geschafft ihre Altlasten anzugehen und entwickeln sich. Es gibt auch durchaus viele Mittelständler, die es schaffen, ihre Altlasten umzubauen und die sich entwickeln. Du musst es nur wollen. Du musst vom hohen Ross herunter zu kommen, du musst den Stolz herunterschrauben, du musst sagen, wir haben etwas verpasst und du musst ebenfalls dazu bereit sein zu investieren. In der Regel musst du auch etwas von deiner Marge abgeben. Aber wenn du das alles machst, dann kannst du durchaus aufräumen, optimieren und bist ebenfalls dazu in der Lage, sukzessive andere Leute einzustellen.

Christian/Rene: Wo besteht denn aus deiner Sicht der meiste Coaching-Bedarf?

Matthias: Ganz klar zuerst an der Spitze. Aber ich glaube, du musst in das ganze Unternehmen gehen, über Hierarchiestufen hinweg und durch die unterschiedlichen Abteilungen. Dort musst du die 15 bis 20 Prozent kritische Masse von den Leuten finden, die wirklich WOLLEN. Diese Leute findest du zum Glück in (fast) jedem Unternehmen, weil es in jedem Unternehmen Leute gibt, die für das Unternehmen brennen. Du musst in die Mitarbeiter investieren und sie konzeptionell coachen. Dann entwickelt sich das Coaching wie eine Art positiver Brandbeschleuniger. Du gibst den Leuten Freiheit, Geld und fachliche Unterstützung und dann fangen sie an, Dinge zu drehen und Leute mitzunehmen, von denen du nicht geglaubt hättest, dass sie überhaupt angepackt werden.

Christian/Rene: Was ist eine typische Zeitkurve – eine klassische Lernkurve, die ein Unternehmen für einen solchen Wandel durchlaufen muss?

Matthias: Das kann man nicht pauschal beantworten, weil es im Endeffekt einfach „individuell unterschiedlich“ lange dauert. Ich habe vorhin gesagt, dass du hundert IT-Systeme hast von denen viele veraltet und schlecht integriert sind, hier muss man im ersten Schritt priorisieren. Du musst sofort anfangen dir die Hände schmutzig machen, du musst Dinge identifizieren, die so genannten klassischen Leuchtturmprojekte, mit denen du sofort zeigen kannst, dass die neue Arbeitsweise Kundennutzen schafft und gleichzeitig kannst du damit der Organisation zeigen, dass diese neuen Arbeitsweisen funktionieren. Damit beginnst du, deine Organisation auf ein anderes Level zu heben. Das ist ein Schulungsaufwand, der dauert bereits Monate und da rede ich von acht, zwölf, 18 Monaten. Es hängt immer davon ab, wie viele Leute du im Zugriff hast und dann gilt es Fleißarbeit zu betreiben. Du musst schnell anfangen aber stets den Kunden in den Fokus stellen und anhand von KPIs belegen, dass sich etwas ändert. Und dann ist es tatsächlich eine „never ending story“, aber du gelangst dann zu einer Arbeitsweise, wo du komplett anders arbeitest, als du es früher gemacht hast.

Christian/Rene: Welche Themen bereiten Dir persönlich in der IT am meisten Freude?

Matthias: Ich glaube, ich habe nur zwei. Erstens, ich möchte Businesskennzahlen positiv verändern und Kunden zufrieden stellen. Ich freue mich über knackige Probleme und das sind nicht irgendwelche IT-Probleme, sondern das ist immer, wie können wir in dem Land, wie können wir in dem Markt, wie können wir in dem Kundensegment ambitioniert wachsen oder uns messbar verbessern? Und dafür möchte ich dann mit meinem Team konkrete Lösungen schaffen, zu denen die Kunden positive E-Mails schreiben, in den sozialen Medien posten. Das macht mich zufrieden und glücklich. Es ist tatsächlich das allerberste, das Feedback vom Kunden zu bekommen, dass man einen guten Job gemacht hat. Zweitens möchte ich den technischen Rahmen für das erste Thema: Daten, Reporting, Business Intelligence, Machine Learning. Da liegt so viel konkret nutzbares Potenzial. Aber die wenigsten ITler und ebenfalls wenige Mitarbeiter aus dem Business können tatsächlich vernünftig mit Kennzahlen umgehen. Da ist noch Luft nach oben.

Christian/Rene: Vielen Dank für die interessanten Einsichten.

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