Niklas hat mit seiner Frau Joana zusammen Heinen Lovebrands gegründet. Die mehrfach ausgezeichneten Portale Odernichtoderdoch und JO & JUDY zählen zu den Best-Practice-Beispielen, wie man auf Basis von Social Media erfolgreiche Unternehmen aufbaut. Wir sprechen mit Niklas unter anderem darüber, wie er das Thema Führung angeht und warum er dem Thema Personalauswahl weitaus mehr Zeit widmen würde, wenn er heute noch mal neu starten würde. Und natürlich sprechen wir auch kurz den Status quo im Influencer Marketing im Jahr 2020 an. Viel Spaß beim lesen!

Christian/Rene: Ihr seid stark über Instagram gewachsen. Ist das aus deiner Sicht im Jahr 2020 noch möglich, wenn man heute auf der grünen Wiese beginnt?

Niklas: Nein. Das ist nicht mehr oder nur noch sehr schwer möglich. Dafür brauchst Du ein Produktportfolio, das perverse Deckungsbeiträge erzielt. Nur dann kannst Du die Influencer Marketingkosten finanzieren, die heute aufgerufen werden. Das war vor vier, fünf Jahren komplett anders, da hatten wir noch ein anderes Preisniveau. Ggf. gibt es noch ein paar Nischen, in den man sich positionieren kann. Aber ich würde sagen, bei normalen Handelsartikeln mit einem normalen Rohertrag ist das sehr schwierig. Natürlich kannst Du dich mit einem massiven Investment nach wie vor in den Markt einkaufen. Allerdings muss man dann auch entsprechende Verluste in der Anlaufzeit kompensieren.

Christian/Rene: Wie hoch sind derzeit die Preise, wenn man mit Influencern arbeiten möchte? Sind wir sofort im fünfstelligen Bereich?

Niklas: Nein, fünfstellig nicht. Es kommt natürlich darauf an, mit wem man zusammenarbeitet.  Aber man kannt sagen, dass schon aktuell schon mit einem Tausendkontaktpreis zwischen 10 bis 25 Euro gearbeitet wird, wobei sich dieser Wert nicht auf die tatsächlich erreichten Personen bezieht, sondern auf die Follower Anzahl des jeweiligen Profils auf Instagram. Hinzu kommt der Umstand, dass die Professionalisierung der Szene massiv zugenommen hat und fast alle Influencer gemanagt werden. Dadurch sind natürlich ganz andere Kostenapparate entstanden. Früher hat jeder mit mehreren Tausend Followern die ganze Arbeit sprichwörtlich aus dem Kinderzimmer erledigt. Heute gibt es viele Influencer mit dreißig- oder fünfzigtausend Followern, die bereits mit Designern zusammenarbeiten, um ihre Bilder professioneller aufzuarbeiten, usw.  Das sagt aber nichts darüber aus, ob so ein Influencer auch tatsächlich besser ist, um deine Werbeziele zu erreichen.

Christian/Rene: Die Instagram Szene hat sich als innerhalb kürzester Zeit professionalisiert. Innerhalb von fünf Jahren hat diese Industrie einen Zyklus durchlaufen, für den man in der Vergangenheit locker 25 Jahre benötigt hätte. Werden wir jetzt bald von Medienmarken aufgebaute Influencer im Stil von „Deutschland sucht den Superstar“ sehen und können solche Influencer überhaupt noch authentisch sein?

Niklas: Zum ersten Teil der Frage: Auf jeden Fall, es wird immer professioneller. Schau Dir nur einmal Dieter Bohlenan und vergleiche seine Follower Anzahl mit den Reichweiten verschiedener TV Sendungen zur Prime time. Dieter Bohlen hat seine Bekanntheit genutzt, um vergleichsweise spät mit einem Instagram Account zu starten, wo er jetzt ohne Ende Content produziert und 1.5 Millionen Follower erreicht. Das ist mehr, als was manche Shows zu guten Sendezeiten haben – und dazu noch sehr viel besser auswertbar im Hinblick auf den Werbeerfolgt. Wir werden in den kommenden Monaten und Jahren immer stärker sehen, dass solche Influencer an Bedeutung gewinnen, die nicht erst mühsam Reichweiten aufbauen müssen, sondern sie von Beginn an mitbringen. Oder die Reichweite wird parallel aufgebaut, um die Zuschauer von bestimmten Fernsehformaten in Streaming-Portale zu kanalisieren. Der zweite Punkte Deiner Frage stellte auf die Authentizität ab. Aus meiner Sicht wachsen Instagram-Profile nur dann, wenn sie irgendwas haben, was die Leute interessant finden. Und das korreliert meines Erachtens meistens damit, wenn die Inhalte authentisch sind. Wie sagt man so schön: Der Markt wird schon regeln, wer mehr oder weniger authentisch ist.

Christian/Rene: Ihr habt als Gründer sehr stark im Zentrum der Kommunikation gestanden. Wie siehst du die Zukunft? Müssen CEOs immer mehr wie Medienprofis agieren? In den USA ist der Telekom Chef John Legere ja ein Extrembeispiel für eine solche Kommunikation.

Niklas: Nein, das sehe ich überhaupt nicht so. Ich kenne viele Leute, die Unternehmen ganz anders steuern und operieren. Es ist einfach nur eine Frage, was einem selber am meisten Spaß macht und was einem liegt. Ich kenne so viele Leute, die es geil finden, zurückgezogen zu arbeiten, ein erfolgreiches Business aufbauen und in der Außenwelt fast gar nicht in Erscheinung zu treten. Bei Joana und mir ist es eher so, dass wir eigentlich gar keine Business-Leute sind. Von Typ her sind wir beide eher kreative Personen, die sich selber entfalten wollen. Bevor die Instagram-Blase richtig losgegangen ist, hatten wir das Glück, dass wir einige Marken erfolgreich aufbauen konnten und diese jetzt auch erfolgreich von uns als Person loslösen zu können. Dass uns das gelingt, hätte niemand gedacht. Aber Joana und ich sind von den Persönlichkeiten halt so, dass wir viele Dinge ganz intuitiv angegangen sind und uns das einfach Spaß gemacht hat, über einen neuen Kanal wie Instagram zu kommunizieren. Bei bestimmten Geschäftsmodellen kann es mitunter aber auch hinderlich sein, einen solchen Weg zu gehen.

Christian/Rene: Wie führst du deine Mitarbeiter vor diesem Hintergrund?

Niklas: Gar nicht. Ich habe herausgefunden, dass meine Persönlichkeit so angelegt ist, dass ich mit der Führungsaufgabe einer Organisation von über fünfzig Leuten überfordert bin und mich das enorm viel Kraft kostet. Ich habe deswegen nach Mitarbeitern gesucht, die in der Führung von Menschen aufgehen und das als ihre Bestimmung sehen. Diese Personen habe ich maximal enabled und maximale Verantwortung gegeben. Es gibt halt Menschen die finden es geil, mit den Teamleitern einmal pro Woche zwischen 09.30 Uhr bis 11.30 Uhr einen Jour-Fixe zum Thema ‚Warenwirtschaftssystem-Implementierung‘ zu haben, danach ein strukturiertes Gesprächsprotokoll zu versenden und dann mit den Teamleitern darauf zu gucken, ob alle ihre Aufgaben erledigt haben. Lass mich das zwei, drei Wochen nacheinander machen und ich habe keine Lust mehr. Das habe ich für mich ganz klar herausgearbeitet und reflektiert. Ich denke, jeder muss herausfinden wo sein Sweet Spot ist und was man gerne macht. Auf dieser Grundlage kann man dann auch schnell andere Leute finden, die Dinge besser können als man selbst und denen muss man die Bühne frei machen. Ich bin ein absoluter Freund davon, Verantwortung abzugeben und dann auch wirklich maximal auch diese Personen zu setzen.

Christian/Rene: In vielen Unternehmen geben die Kriterien, anhand der Führungskräfte identifiziert und selektiert werden, in der Regel keinen Rückschluss darauf, dass die jeweilige Person tatsächlich auch Menschen führen kann. Wie gehst Du dieses Thema an?

Niklas: Ich tausche mich mit vielen Unternehmern aus. Was kennzeichnet die meisten dieser Gründer aus? Sie sind oft kreativ, impulsiv und sind bereit, Dinge mit großen Risiken anzugehen. Sie treiben Dinge voran und sind häufig auch mal unstrukturiert. Aber ab einer bestimmten Größenordnung eines Unternehmens sind das Charaktereigenschaften, die ggf. hinderlich, kritisch oder gefährlich sein können. Wir sind jetzt z. B. ein typisches mittelständisches Unternehmen, klassisch finanziert mit fünfzig Mitarbeitern. Da kannst Du Projekte nicht mehr so planen, wie ich das bei der Unternehmensgründung vor vier oder fünf Jahren gemacht habe – nämlich gar nicht. Damals war es ja so, wir gucken mal was passiert. Lass uns doch mal fünf Sachen ausprobieren, vielleicht funktionieren zwei und drei vielleicht auch nicht. Heute arbeiten wir mit zahlreichen Stakeholdern und Partnern zusammen und es werden teilweise viele externe und interne Ressourcen gebunden, die natürlich einen P&L Effekt haben. Da willst und kannst Du nicht mehr so arbeiten wie in der Gründungszeit. Es kommt ja häufig vor, dass gerade bei schnellwachsenden Unternehmen die Gründer gar nicht mehr reflektieren können, welche Funktion nun erforderlich sind. Von unserem Logistikleiter erwarte ich beispielsweise, dass er nicht so arbeitet wie ich als Gründer. Die große Herausforderung ist darin zu sehen, dass jeder von uns seine Persönlichkeitsstruktur nicht einfach ablegen und abstreifen kann wie einen Anzug. Das bringt uns zu einem Punkt, über den im Gründerkontext nur selten gesprochen wird. Für mich persönlich war es schwierig und schmerzvoll zu erkennen, dass ich ab einem bestimmten Punkt in der Unternehmensentwicklung nicht mehr einen so guten Impact hatte wie in der Anfangsphase. Daraus habe ich für mich den Schluss gezogen, dass ich dann einfach die Leute machen lassen muss, die das besser als ich können und die in dieser Phase genau die richtigen sind.

Christian/Rene: Das ist ein sehr konsequenter und bemerkenswerte Schritt.

Niklas: Ja, das war aber auch ein sehr schmerzhafter Schritt. Da muss man sich selbst gegenüber sehr offen und ehrlich sein.

Christian/Rene: Wenn du heute nochmal starten würdest, was würdest du anders machen als damals?

Niklas: Ohne das Wissen von heute würde ich alles genauso machen. Mit dem Wissen von heute würde ich viel gezielter Personal auswählen und mehr darauf achten, mehr zuhören, was die Menschen wirklich wollen und wirklich können. Und ich würde den Leuten nicht meine Sichtweise überstülpen und denken, dass jeder so ist wie ich, weil das ist nie der Fall sein wird. Ich würde versuchen herauszufinden, was die Menschen wirklich machen möchten, was ihr Sweet Spot ist und die nicht einfach jemandem zum Teamleiter von irgendwas befördern nur weil ich denke, ich würde das doch auch so für mich wollen. Häufig überfordert man die Person damit und eigentlich ist sie dem gar nicht gewachsen. Ich würde viel detaillierter überlegen, ob die Leute eine Funktion wirklich machen wollen und auch können. Ich würde mit weniger Menschen arbeiten und versuchen, die Organisation kleiner zu halten.

Christian/Rene: Kommen wir zur abschließenden Frage. Wie abhängig seid ihr heute noch von Instagram als Traffic-Lieferant im Vergleich zu den Startjahren und in welche Richtig entwickelt Ihr euch weiter?

Niklas: Auch wir merken natürlich, dass das Thema Influencer-Kooperation und Influencer-Marketing immer teurer und professioneller wird. Dann sind wir mit unserem Produktsortiment auch in einer ziemlichen Nische unterwegs, im Geschenkartikelmarkt. Dieser Markt findet nicht hauptsächlich im Internet statt. Wir sind letztendlich mit mehr Glück als Verstand mit unseren Marken ein eigentlich viel zu großer Player geworden, weil unser Wettbewerb findet stationär statt. Deswegen haben wir lange nicht gesehen, wie die Welt eigentlich aussieht und deswegen ist für uns jetzt ganz wichtig, das Geschäftsmodell auch dahingehend zu entwickeln, dass wir uns dorthin bewegen, wo auch unser Markt ist: In Geschenkeläden, in Buchhandlungen, etc. Ich bin der festen Überzeugung – und ich weiß, dass andere hier eine andere Meinung vertreten –  das Geschenkartikel und Design-Artikel auch weiterhin im stationären Umfeld eine wichtige Rollen spielen werden.

Christian/Rene: Vielen Dank für das spannende Interview!

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